61. Gemeindekatechese 7

Viele Jahre hindurch hat es in Hochdahl eine Taufgruppe für Schulkinder gegeben. Eine solche Gruppe wurde nötig, weil immer häufiger Kinder zur Erstkommunion angemeldet wurden, die noch nicht getauft waren. Auch in früheren Jahren war das immer wieder einmal vorgekommen, aber dann waren es meist nur einzelne Kinder, die normalerweise im Zusammenhang mit der Erstkommunionvorbereitung getauft wurden. In den 80-er Jahren nahm die Zahl deutlich zu, sodass wir vor der Frage standen, wie wir auf diese Situation reagieren sollten. Nun hatten wir uns ja wenige Jahre vorher schon intensiv mit der Taufpraxis beschäftigt, sodass es sich hier nur um eine neue Frage in einem bekannten Zusammenhang handelte. Was in Bezug auf die Taufpraxis 1978/79 zur Debatte stand, ist in dem Text „Gemeindekatechese 4“ (Nr. 49) ausführlich beschrieben. – Wenn es um die Taufe von Kleinkindern geht, richtet sich die Vorbereitung an die Eltern. Auf ihren Glauben hin werden die Kinder ja auch getauft. Wenn es aber um Schulkinder vor der Erstkommunion geht, dann müssen diese Kinder selbst vorbereitet werden. Die pastorale Aufgabe gleicht dann viel mehr der Beschäftigung mit den Kommunionkindern. Und so begannen wir 1984 mit der Taufgruppe für Schulkinder.

Wie bei allen anderen Formen der Gemeindekatechese waren die Begleiter der Kinder zwei Gemeindemitglieder, Mütter, die schon bei Erstkommunion-  und Bußvorbereitung Erfahrungen gesammelt hatten. Im ersten Jahr waren die Kinder der Gruppe bereits im dritten Schuljahr und die Erstkommunion stand unmittelbar bevor. Offensichtlich haben die Beteiligten sofort gemerkt, dass diese Terminierung nicht besonders glücklich war. Es konnte ja der Eindruck entstehen, als ob die Taufe nur noch schnell durchgeführt werden müsste, weil es sonst keine Erstkommunion gab. Das ist zwar eine bis heute weit verbreitete Praxis, bedeutet aber eine unzulässige Abwertung der Taufe. Schließlich ist sie der Anfang des Lebens als Christ und verlangt im Idealfall nach einer grundlegenden Entscheidung. Deshalb war es richtig, dass schon bald die Taufgruppe für Kinder im zweiten Schuljahr angeboten wurde, als eigenständige Vorbereitung auf das alles entscheidende Sakrament. Es wurde dabei auch üblich, dass nur Kinder in dem entsprechenden Alter teilnehmen konnten. Es gab also keinen allgemeinen „Aufwasch“ für alle bis dahin nicht getauften Kinder einer Familie. Diese Regelung sollte es möglich machen, dass auch  jüngere Geschwister eine eigene Vorbereitung und ein eigenes Fest haben konnten. Ab 1986 übernahmen zwei andere Mütter die Begleitung der Kinder. Und die beiden „Neuen“ haben dann bis 2006 alle Gruppen begleitet. 2007  haben dann zwei andere Gemeindemitglieder die Arbeit für ein Jahr weitergeführt.

Und dann saßen wir viele Jahre später noch einmal zusammen, um über die Erfahrungen von damals zu sprechen. Und es wurde der Nachmittag der großen Überraschung! Nun war ich doch während der ganzen Jahre einer der verantwortlichen Leiter der Gemeinde. Natürlich war ich darüber informiert, dass es diese Gruppe gab und in unregelmäßigen Abständen redeten wir im Dienstgespräch auch darüber. Und manchmal markierte ich den Großzügigen. Immer wieder hatten die beiden Begleiterinnen nämlich den Wunsch, zu erzählen, wie sie die Treffen mit den Kindern gestalteten. Dann habe ich ihnen gesagt, ich hätte volles Vertrauen zu ihnen, dass sie das gut und richtig machen würden. Was und wie sie es aber machten, habe ich nie genauer erfahren. Und deshalb war die Überraschung groß, als wir jetzt darüber sprachen. – Hätten wir uns damals getroffen, dann hätte die Begeisterung nicht größer sein können als bei diesem Gespräch – immerhin nach einer Pause von gut 10 Jahren. Im Erzählen wurde alles wieder ganz lebendig. Und die Erinnerungen drängten so intensiv ins Gespräch, dass die Gruppen der Kinder wie in einem Bild vor Augen traten und die Stimmung beim Zusammensein spürbar wurde. Ab und zu musste ich sogar bremsen, weil mir bewusst wurde, wie schwierig all das in einem kurzen Text festzuhalten sei. Und es waren nicht nur die Erinnerungen; auf dem Tisch lag das Programm für die zwölf Stunden des Taufkurses mit einer kurzen Beschreibung jeder einzelnen Stunde!

Dieser Kurs war in einem Punkt anders als die übrigen Aktivitäten der Gemeindekatechese, es gab keinen Begleiter der Begleiter. Sonst haben immer zwei oder drei Leute, die schon Erfahrungen mit der Gruppenarbeit hatten oder theologisch versiert waren, die Treffen für die Begleiter der Gruppen vorbereitet und Thema und Methodik für die nächsten Gruppentreffen erarbeitet. Das war wohl in diesem Fall nicht nötig, weil es ja jedes Jahr nur eine Gruppe der Kinder gab. Die Begleiterinnen der Taufgruppe nahmen zwar an den Treffen des „Arbeitskreis Taufgespräche“ teil (vgl. „Gem. Katechese 4“), arbeiteten im Übrigen aber ganz eigenständig. – Bei der Unterweisung von Kindern lauert immer eine Gefahr. Wenn Katecheten meinen, man wüsste ja Bescheid und könnte das ganz leicht hinkriegen, dann geht es garantiert daneben. Man weiß Bescheid und Herz und Verstand dürfen sich ausruhen. Oder man weiß Bescheid und holt die alten Unterlagen aus dem Regal und braucht gewissermaßen nur noch abzulesen. Wenn aber der Glaube – auch schon bei Kindern – ins Herz gehen soll, dann genügt kein Auswendiglernen und kein Einüben von Ritualen. Dann muss auch die Verkündigung von Herzen kommen und die Botschaft  muss mit Verstand und viel Bemühen in die Lebenswelt der Kinder übersetzt werden. In diesem Sinne ist die Aussage zu verstehen, dass die Begleiter der Taufgruppe auf keinen Fall Unterricht machen wollten. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann waren es die Kinder, die sie verlockt haben, sich intensiv um sie zu kümmern. Und das waren nicht die großen Helden und die strahlenden kleinen Schätzchen. Es waren im Normalfall eher die Gebeutelten und Belasteten und Hilfsbedürftigen. Denn die Normalen und die körperlich und seelisch Gesunden waren schon als Kleinkinder getauft worden. Und diese Verspäteten brauchten deswegen besondere Zuwendung. – Und eine solche Haltung hat offensichtlich die Atmosphäre in der Gruppe immer geprägt. Die Kinder fühlten sich angenommen, denn sie waren alle ganz regelmäßig (und durch die ganzen Jahre hindurch) zum Gruppentreffen anwesend. Da gab es für sie nichts Wichtigeres, das sie der Taufgruppe vorgezogen hätten. Und damit die Eltern sich keine Sorge zu machen brauchten – im Herbst wurde es meist schon dunkel, ehe die Gruppe zu Ende war – wurden die Kinder nach dem Treffen von den Begleiterinnen einzeln nach Hause gebracht und an der Haustür abgesetzt. Offensichtlich war auch die Beteiligung der Eltern recht positiv. Vielfach sind sie ja auf Anhieb gar nicht so willkommen, wenn sie kurz vor der Erstkommunion wieder auftauchen, nachdem sie den normalen Termin für die Taufe verpasst haben. Aber beim Elternabend erzählten sie dann, wie groß die Not mit einer langwierigen Krankheit und Schwäche des Kindes war oder wie sehr ihnen familiäre und soziale Schwierigkeiten zugesetzt haben. Und der Verdacht, alles sei nur eine Sache von Gleichgültigkeit gewesen, erweist sich dann als billiges Vorurteil. Und dann kann es sein, dass man für diese Eltern viel Verständnis und für diese Kinder eine besondere Zuneigung entwickelt.

Wenn sie keinen Unterricht machen wollten, wie haben die Begleiterinnen denn dann mit den Kindern gearbeitet? In der Firmvorbereitung war es ganz klar, dass man Jugendlichen nicht beim Gruppentreffen mit einem Vortrag kommen darf, selbst dann nicht, wenn sie anschließend darüber miteinander sprechen  dürfen. Es muss vielmehr darum gehen, dass die Jugendlichen ihre Vorstellungen, ihre Hoffnungen und Schwierigkeiten, ihren Glauben und ihre Zweifel äußern dürfen. Das ist die Basis für das weiterführende Gespräch (vgl. Nr.59). Und genau so haben die Begleiterinnen auch mit den Kindern gearbeitet. Natürlich sieht das bei Kindern im Grundschulalter anders aus als bei Jugendlichen. Aber es scheint auch da eine Form des Gesprächs gewesen zu sein. Wenn Kinder spüren, dass sie ernst genommen werden, und wenn die Erwachsenen ein wirkliches Interesse an ihrem Leben haben, dann können die meisten vermutlich schnell sehr vertrauensvoll und frei erzählen. Und dann wird im Erzählen ihr Leben gegenwärtig, ihre Familien und ihre Freunde, ihre Belastungen und ihre Erfolge, ihre Überzeugungen und ihre Unsicherheiten. Und in dieses Leben hinein muss die Botschaft des Evangeliums, die ja zunächst eine Botschaft an Erwachsene ist, übersetzt werden. Dafür gab es ein ausführliches Programm. Der Überschrift für die ganze Arbeit lautete: „Du bist Gottes geliebtes Kind.“ Ein solcher Zielsatz gibt die Möglichkeit, sich auf dem Weg durch den ganzen Kurs immer wieder zu vergewissern, ob die Richtung noch stimmt. Die Formulierungen für die zwölf Stunden waren oft erfrischend anders als das, was in früheren Zeiten im Katechismus stand. Und wer noch eine Erinnerung an den alten Katechismus hat, dürfte überzeugt sein, dass heute den Kindern (wenn auch nicht immer) der Weg zum Glauben besser geebnet wird! – Damit das Gespräch mit den Kindern gelingt, kann man viele Hilfsmittel nutzen. Die Begleiterinnen erzählten ein Beispiel. Bei einem Treffen hatten sie ein großes Bild mit einem Herzen mitgebracht. Es ist wohl auf Anhieb klar, wie viel Kindern dazu einfallen kann. Und das wurde auf kleine Zettel geschrieben und auf das Bild geheftet. Und so wurde sichtbar, wie schön das Zusammenleben sein kann, wenn es von Vertrauen und Liebe geprägt ist. Und hinter all den menschlichen Bemühungen um eine solche Gemeinschaft kann man den finden, der hilft und stärkt und tröstet. Und deshalb kam in die Mitte ein Zettel mit dem Namen „Gott“. – In einer anderen Stunde erzählten sie die Geschichte vom barmherzigen Vater. Das ist die Botschaft von der Güte Gottes. Und sie ist eingebettet in ein Bild von familiären Beziehungen. Und beim Hören und darüber Sprechen wird die eigene Familie mit ihren Höhen und Tiefen für die Kinder ganz nah gewesen sein. – Es geht um das Leben der Kinder und für ihr Leben hören sie die Botschaft von der heilenden und befreienden Nähe Gottes.

Diese Arbeit ist sehr anspruchsvoll. Und wenn man sie gut oder vielleicht sogar sehr gut leisten will, dann braucht man viele Anregungen. Darum haben sich die Begleiterinnen intensiv bemüht – und wieder sehr eigenständig. Besonders wichtig war dabei der Kontakt zum Katechetischen Institut des Bistums Aachen. Das bietet vor allem Aus- und Weiterbildung für Religionslehrer an. Wenn man zum Beispiel die „missio canonica“, die kirchliche Lehrerlaubnis für den Religionsunterricht, haben will, dann kann man dort die nötige Ausbildung bekommen. Aber auch für die normale Weiterbildung von Religionslehrern ist das Institut zuständig. Und wen wundert es, dass die beiden Begleiterinnen in diesem Kreis immer wieder Erstaunen auslösten. „Wie, Sie sind keine Religionslehrer? Ganz einfache Laien in der Arbeit der Gemeinde?“ Besonders von Rainer Oberthür  sprachen die beiden mit großer Hochachtung. Er ist Referent im Institut, offensichtlich aber auch eine sehr kreative Persönlichkeit. Seine Texte und Geschichten waren für die Arbeit in der Gruppe sehr wertvoll. Und immer wieder holten sich die beiden in Aachen neue Kraft und neuen Stoff.

Der Kurs zur Vorbereitung auf die Taufe umfasste 12 Stunden und fand zwischen September und Weihnachten statt. Er war also genau so umfangreich wie die Vorbereitung auf die Erstkommunion und die Buße. Auch die Größe der Gruppe entsprach im Normalfall dem, was bei diesen beiden Aktivitäten auch üblich war. In einem Jahr waren nur drei Kinder angemeldet. Aber auch mit diesen wenigen fand die Vorbereitung statt. Üblicherweise schwankte die Zahl zwischen fünf und zwölf. In den mehr als 20 Jahren zwischen 1984 und 2007 haben weit über 100 Kinder diese besondere Zuwendung erfahren. Für die Jahre 1996 bis 2006 sind die Listen mit den Anmeldungen noch vorhanden; in  diesem Zeitraum waren nachweislich 85 Kinder dabei. Was für ein Aufwand und was für ein großartiges Bemühen! Wenn die Beiden bei den Treffen in Aachen davon erzählten, hörten sie von dem einen oder anderen Seelsorger die übliche Antwort, das sei in ihrer Pfarrei nicht möglich, dafür würden sie keine Leute finden. Und wie kommt es, dass in dieser Taufgruppe für Schulkinder zwei Frauen über zwanzig Jahre intensiv mit Herz und Verstand und unheimlich viel Einsatz arbeiten und hinterher noch sagen, es sei für sie selbst sehr wertvoll gewesen? Und wie kommt es, dass Firmbegleiter zwar auch immer wieder über den hohen Zeitaufwand stöhnen, aber bei der Auswertung am Ende des Kurses gleichfalls sagen, es habe sich für sie gelohnt? Und die anderen Aktivitäten der Gemeinde in Hochdahl! Dazu zitierte eine der beiden Damen von der Taufgruppe unseren Spruch (den Spruch der Gemeindeleiter): „Mach das! Du kannst das!“ Oder dasselbe, etwas anders formuliert: „1. Ich traue dir zu, dass du das schaffst, und 2. Alles, was du dazu brauchst, werden wir gemeinsam erarbeiten.“ (vgl. „Eine Gemeinde traut sich“). Erfahrungen, um für den Rest des Lebens dankbar zu sein! – Gab es in Hochdahl vielleicht auch einen Zaubertrank, der uns stark und mutig machte?

Einige Zeit vor der Taufe gab es einen Wortgottesdienst für die Kinder, die Eltern und die Begleiter. Das Thema war: das Kreuz, das Zeichen der Christen. Alle versammelten sich in Heilig Geist um den Altar. Kleine Kreuze waren für die Kinder vorbereitet. In den ersten Jahren stammten sie oft aus dem Heiligen Land, Kreuze aus Olivenholz. Das war eine schlichte, symbolische Verbindung zum Ursprung der Kreuzverehrung. Die Geschichte der Kreuzigung wurde nicht erzählt. Aber wenn das Kreuz das Zeichen der Christen ist, dann gehören die Kinder der Taufgruppe auch dazu, wenn sie das Kreuz empfangen. Es war natürlich besonders schön, wenn die Eltern ihnen dann das Kreuz umhängten und ihnen auch noch ein Kreuz auf die Stirn zeichneten. Dieser Ablauf war ein intensiver Hinweis auf die Taufe: bald werden sie wirklich ganz dazugehören!

Nur einmal in all den Jahren war ein kleiner Junge immer ganz allein, selbst bei der Taufe. Hoffentlich war die Taufe trotzdem für ihn ein gutes Erlebnis! Sonst waren natürlich immer alle eingeladen und dabei: Eltern, Paten, Geschwister, Bekannte, die Begleiterinnen. Und immer war die Feier in Heilig Geist in Sandheide. Es muss ein sehr schöner Augenblick gewesen sein, wenn die Kinder nach Beginn des Gottesdienstes einzeln gefragt wurden, ob sie getauft werden wollten. Dazu stand der Geistliche, der die Taufe vollzog, vor dem Altar, rief die Kinder einzeln auf und bat sie, ein paar Schritte nach vorne zu kommen .Dann fragte er sie: „Willst du getauft werden?“ und sie antworteten: „Ja, ich will getauft werden.“ – Es ist schade, dass diese Frage nach der eigenen Entscheidung so selten vorkommt. Anscheinend nur in einer solchen Situation! Denn diese Entscheidung ist doch die Voraussetzung dafür, dass einer in der Taufe die Zuwendung Gottes erfahren kann. Und dann wieder das Kreuzzeichen auf die Stirn und die Handauflegung als Zeichen des Segens. Und dann an dem schönen Taufbrunnen in Heilig Geist mit seinem fließenden Wasser – die Taufe mit viel Wasser (wie die Begleiterin erzählt). Und dann viel Licht! Von der Osterkerze verbreitet es sich auf die Taufkerzen der Kinder, die kleinen Kerzen der Geschwister und sonstigen Kinder. Und nach einer langen und intensiven Zeit der Vorbereitung gehören nun die Kinder der Taufgruppe auch ganz dazu. – Die Hochstimmung der Tauffeier setzte sich fort in einem gemeinsamen Kaffeetrinken im Pfarrsaal. Die Vorbereitung dafür haben immer die Eltern der Kinder übernommen. Und das haben sie vermutlich auch sehr gerne getan.

 

Zurück