47. Das Haus in Millrath-Ost

Die Geschichte, wie das Roncalli-Haus entstanden ist, lässt sich verhältnismäßig leicht erzählen. Die eigene Erinnerung ist natürlicherweise im Laufe der Jahre verblasst und gibt nur noch einige markante Punkte wieder. Aber die Aspekte aus dieser Zeit enthalten eine sehr ausführliche und genaue Dokumentation der ganzen Entwicklung. Mir scheint, dass es nie vorher oder nachher eine so dichte Folge der Hefte gegeben hat wie zu dieser Zeit. Und wenn man heute darin liest, kann man staunen über die Vielfalt der Themen, die im Leben der Gemeinde zur Debatte standen. Die Ausgabe von Januar 1981 ist ausschließlich dem Bauprojekt gewidmet und diente der Vorbereitung der Gemeinde auf die Pfarrversammlung am 23.Januar 1981. Bei dieser Pfarrversammlung sollte und ist die Entscheidung getroffen worden, ob wir bauen wollten oder nicht. Aus diesem Heft stammt auch die Darstellung der Aufbau-Konzeption der Gemeinde, die bereits in einem früheren Abschnitt zitiert wurde („Eine Gemeinde für 20.000 Katholiken“, Nr. 17). Wer den „Original-Ton“ nachlesen möchte, möge sich die entsprechenden „Aspekte“ aus dem Pfarrarchiv besorgen (April + Juni + Oktober 1980, Januar + März + Juli + September + Dezember 1981, April + Juni 1982).

 

Das Bauvorhaben Millrath-Ost beschäftigte uns schon seit 1972. In diesem Jahr hatte die Diözese im Bereich für das geplante Subzentrum Millrath-Ost ein Grundstück von 3.000 qm gekauft. Nach der Entscheidung, dort keine Kirche zu bauen, war dieses Grundstück für ein Gemeindehaus und einen Kindergarten vorgesehen. Die Planungen für das Gemeindehaus bewegten sich – auch wegen der Vorgaben durch die Diözese – von Anfang an in einem eher bescheidenen Rahmen. Es sollte dreistöckig gebaut werden. Im Kellergeschoss waren neben Wirtschaftsräumen ein großer Spielraum (ca. 50 qm) und ein Gruppenraum vorgesehen, im Erdgeschoss ein ebenfalls 50 qm großer Gemeinschaftsraum (Senioren, Erwachsene, Werktagsgottesdienst) und zwei Gruppenräume, im Obergeschoss ein Gruppenraum und eine Wohnung von 85 qm für einen Hausmeister. Der Bau sollte als schmaler Riegel den geplanten Platz im Einkaufszentrum nach Westen abschließen. Wegen der Hanglage sollte das Kellergeschoss unter dem Niveau des Platzes liegen und sich nach Westen zu einem Hof für das Gemeindezentrum öffnen. Dahinter war dann das Grundstück für den geplanten Kindergarten. Der Haupteingang ins Haus sollte von dem Platz des Einkaufszentrums in das Erdgeschoss führen. Der Bauplan ist in den Aspekten von Juni 1980 abgedruckt, er scheint aber aus den ersten Jahren der Planungen für Millrath-Ost zu stammen. 

 

Wir sind am Anfang ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass für die Finanzierung des Hauses in Millrath-Ost die Diözese aufkommen würde. Wie so etwas geht, hatten wir ja schon in Sandheide erlebt. Dabei ist über die Höhe der Eigenmittel, die die Gemeinde ja sicher auch für Sandheide aufbringen musste, nicht viel geredet worden. Sie bewegten sich wohl in einer Größenordnung, die zu leisten war. Ganz zuversichtlich gingen die Architekten 1973 daran, die Bauausführung vorzubereiten. Die Baugenehmigung der Zivilgemeinde war schon erteilt, als unsere Wünsche und Vorstellungen abrupt durchkreuzt wurden. Die Diözese verhängte einen Baustopp, weil sie kein Geld mehr hatte; die Kirchensteuereinnahmen waren massiv zurückgegangen. Und bis 1980 ging es dann immer hin und her. Wir hielten unsere Hoffnung hoch, irgendwann bauen zu können und landeten immer wieder unsanft auf dem Boden der Realitäten. Der Kirchenvorstand beschloss 1976, keinen Kindergarten mehr zu bauen. Dadurch reduzierten sich die Kosten von 1,2 Millionen auf 800.000 DM. Die Diözese erstellte 1979 eine Prioritätenliste für alle geplanten Bauvorhaben; wir landeten ohne Chancen auf dem 10.Platz. Durch Baupreissteigerungen gingen die Kosten für das verkleinerte Vorhaben wieder auf 1,1 Millionen. Die Prioritätenliste war nur kurze Zeit verbindlich. Nach einer neuen Regelung konnte eine Gemeinde bauen, wenn sie die vorgeschriebene Eigenleistung aufbringen konnte. Die wurde allerdings beträchtlich erhöht. Wir mussten unter dieser Voraussetzung 400.000 DM selbst finanzieren. Und wir fragten uns fast verzweifelt, wie wir das schaffen sollten. Im Oktober 1980 schlug das „Schicksal“ dann endgültig zu: die Diözese teilte mit, sie könne den Bau überhaupt nicht mehr finanzieren. Wir könnten nur noch 200.000 DM aus dem Sonderbauprogramm bekommen.

 

Die Vorstellung, dass die Diözese den Bau finanzieren würde, erwies sich also als Illusion. Andere Geldquellen, die wir hätten anzapfen können, waren nicht in Sicht. Es gab in Hochdahl keine Mäzene – auch wenn hinter diesem Satz in den Aspekten ein vorsichtiges Fragezeichen steht. Und wir hatten keine Grundstücke, die sich für den Abbau von Kies und Sand eigneten – wie in einer Nachbarpfarrei. Ein Haus in Millrath-Ost würde es also nur geben, wenn die Gemeinde das Geld selbst zusammenbringen würde. Und ob das gelingen könnte, hing ab von der Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft jedes einzelnen Gemeindemitglieds. Die Entscheidung zu bauen, konnte deshalb auch nur von der Gemeinde als ganzer getroffen werden – oder zumindest von einem möglichst großen Teil der Gemeinde. Es hätte nicht gereicht, wenn die Leitung der Gemeinde oder der Pfarrgemeinderat oder der Kirchenvorstand einen entsprechenden Beschluss gefasst hätten, denn sie hätten für die Konsequenzen nicht gerade stehen können. Die Gemeinde musste entscheiden und damit auch für die Realisierung aufkommen.

 

Allem Anschein nach ist diese Erkenntnis allmählich im Laufe des Jahres 1980 gewachsen. Und sie wurde umso deutlicher, je mehr sich die Hoffnungen auf Hilfe von außen zerschlugen. Es scheint, dass sich dabei ein Gefühl von Befreiung eingestellt hat. Vielleicht hatte das jahrelange Hin und Her uns doch sehr ermüdet und wir waren froh, dass die Situation jetzt eindeutig war. Vielleicht hatten einige auch das Gefühl, endlich nicht mehr als Bittsteller auftreten zu müssen. Es mag ja viele vernünftige Gründe dafür geben, dass in der katholischen Kirche hierzulande die Einnahmen aus der Kirchensteuer zentral verwaltet und verteilt werden. Aber man kann darin auch eine gewisse Entmündigung der Gemeinden  

sehen. Jetzt lautete die Frage nur noch: „Machen wir es oder machen wir es nicht?“ Kein Generalvikar, kein Bischof, kein Pfarrer entscheidet für uns oder über uns, wir entscheiden selbst und allein! Das war sicher auch ein kräftiger Schub für das Selbstbewusstsein der Gemeinde und eine starke Motivation, sich der veränderten Realität zu stellen. Diese Entwicklung ist vermutlich auch eine Erklärung für die Stimmung, die sich im folgenden Jahr zunehmend einstellte und die in der Erinnerung noch ganz präsent ist. Diese Stimmung drückte sich zum Beispiel darin aus, dass das Haus ganz deutlich als „unser Haus“ wahrgenommen wurde. Und es zu bauen, wurde zur Herzensangelegenheit. Wie ist es sonst zu erklären, dass selbst eine Familie mit vier Kindern und sicher angespannter Haushaltslage noch bereit war, monatlich 20 DM für Millrath-Ost abzuzweigen?

 

Ein ganzes Jahr lang hat ein großer Teil der Gemeindemitglieder um die richtige Entscheidung gerungen. Manche Überlegungen waren den Interessierten in der Gemeinde seit Jahren bekannt. Die Aufbaukonzeption wurde erneut durchdacht und besprochen. Millrath-Ost sollte ja eines der drei Gemeindezentren werden. Die geplante Größe der neuen Stadt stand zur Debatte, die ja zu diesem Zeitpunkt nur noch auf 35.000 Einwohner ausgebaut werden sollte (15.000 Katholiken). Ein wichtiges Argument in der Diskussion war die deutlich wahrnehmbare Raum-Not; das Pfarrheim Sandheide konnte längst nicht mehr alle Gruppen und Veranstaltungen aufnehmen, die in der Gemeinde irgendwo unterkommen wollten. Und dass die Gemeinde weiter wachsen würde, war allen klar. Und auch die Bedenken gegen den Bau wurden deutlich formuliert. Die Größe der Summe und die entsprechende Belastung brachte in jeden Klärungsversuch eine deutliche Unsicherheit: „Können wir das denn wirklich wagen“? Keiner konnte ja dafür garantieren, dass der Versuch wirklich gelingen würde. Und auch die weltweite Perspektive kam ins Spiel. Bei allen Bauten, die wir in Hochdahl realisiert haben, wurde immer wieder gefragt, ob das Geld nicht besser den Armen in der Welt gegeben werden sollte. Diese Anfrage ist – bei unterschiedlichen Gelegenheiten – sicher in vielen Pfarreien gestellt worden. Und viele haben versucht, die Spannung zwischen den verschiedenen Aufgaben zu lösen. Trotzdem blieb vor allem bei  empfindsamen Menschen ein Unbehagen übrig. – Mir scheint, dass diese Suche – trotz aller schon oft durchgespielten Überlegungen – ein Prozess mit offenem Ergebnis war, bis zur Entscheidung am 23.1.1981. – In dem Klärungsprozess übernahmen Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand eine wichtige Rolle. Sie versuchten in den eigenen Überlegungen und Diskussionen für sich die Entscheidung vorzubereiten und gaben der Gemeinde einen deutlichen Rahmen und viele Argumente für das Gespräch. Unter anderem beschrieben sie mit einigen Rechenexempeln in den Aspekten, wie man sich die Finanzierung vorstellen könnte. Dadurch wurde die beängstigende Aufgabe greifbar und diskutierbar. Ein Beispiel  (Aspekte Juni 1980, als noch 400.000 DM aufgebracht werden mussten): die Gemeinde hat 9.500 Katholiken, das entspricht 3.000 Haushalten. 300.000 DM (400.000 DM geforderte Eigenmittel, abzüglich schon angesparter 100.000 DM) geteilt durch 3.000 ergibt 100 DM. Wenn jeder katholische Haushalt einen einmaligen Betrag von 100 DM spendete, könnten wir bauen. Und solcher Beispiele gab es mehrere. Und untendrunter stand der Satz: Und das sollte nicht zu finanzieren sein? Der Optimismus, der sich darin ausdrückt, durchzieht den ganzen Artikel.

 

Die Entscheidung fiel in zwei Schritten. Der erste ist markiert durch die Pfarrversammlung am 9.Mai 1980. Zu diesem Zeitpunkt galt noch die Vorgabe: wenn 400.000 DM Eigenmittel von der Gemeinde aufgebracht werden, kann gebaut werden. Und die ganzen Überlegungen drehten sich um diese Summe, einschließlich der eben genannten Berechnungen zur Finanzierung. Etwa 140 Gemeindemitglieder, darunter viele Jugendlich, nahmen teil. An diesem Abend ist wohl schon deutlich geworden, dass das Projekt nur gelingen und durchgeführt werden kann, wenn es von allen gewollt ist. Und das muss sich darin zeigen, wie weit die Finanzierung durch die Gemeinde gelingt. Am Ende der Diskussion gab es eine breite Zustimmung der Anwesenden. Offensichtlich erschien den Beteiligten diese Entscheidung schon als sehr tragfähig, denn anschließend wurde es konkret und praktisch: ein Spenden-Konto wurde eingerichtet; die Möglichkeiten zum Einzahlen der Spende wurden ausführlich erläutert; der Kirchenvorstand entwarf ein Flugblatt, das kurz über Planung und Finanzierung informierte; es gab Formulare für eine Einzugsermächtigung; Zahlkarten und Überweisungsformulare wurden an den Kirchtüren ausgelegt. Und wer wollte, konnte mit

5 DM einen „Baustein Gemeindehaus Millrath-Ost“ erwerben. Hängte er den in seiner Wohnung auf, hatte er tagtäglich die große Aufgabe und seine Mitwirkung dabei vor Augen. In den Aspekten erschien die erste Liste, wie das Spendenaufkommen für Millrath-Ost sich entwickelt hatte.

 

5. 5.1980

6 075 DM

2. 6.1980

17 500 DM

1. 7.1980

29 600 DM

1. 8.1980

31 600 DM

1. 9.1980

34 386 DM

4.10.1980

50 200 DM

 

Die Zustimmung zu dem Projekt schlug sich also schon in Zahlen nieder. Unter dieser Auflistung steht die Bemerkung: Die Einkünfte aus dem Pfarrfest und dem „Tanz auf der Tenne“ (einer heiter fröhlichen Veranstaltung im Bürgerhaus) seien in der Zahl vom 4.10. noch nicht enthalten. Inzwischen war es nämlich klar, dass der Erlös vieler Veranstaltungen selbstverständlich dem Projekt Millrath-Ost zugute kam. Und wenn man gerade keine Veranstaltung hatte, konnte man sich ja sonst etwas einfallen lassen. Das taten jedenfalls die „Straßenmusikanten“ (mit Waffelstand), die am 17.5.1980 auf dem Hochdahler Markt aufspielten. Und beim „Tanz auf der Tenne“ soll jemand gedichtet haben: „Sagst Du an der Theke ´Prost´, denke auch an Millrath-Ost“.

 

Der zweite Schritt wurde nötig, als die Diözese ihre Beteiligung an der Finanzierung auf 200.00 DM reduzierte. Bei der Pfarrversammlung am 23.1.1981 fiel die endgültige Entscheidung und die lautete: Wir bauen – aus eigener Kraft. Diese Pfarrversammlung wurde sehr intensiv vorbereitet, vor allem durch das Heft der Aspekte vom Januar 1981, aus dem schon mehrmals zitiert wurde. Alle Themen, die für die Entscheidung wichtig sein konnten, wurden noch einmal zusammengestellt: die Konzeption der Stadtplanung beim Aufbau der „neuen  stadt“ – die zukünftige Größe der katholischen Gemeinde – die Aufbau-Konzeption der katholischen Gemeinde – die Anpassung der Gemeindekonzeption an die Wirklichkeit – Millrath-Ost unter ökumenischen Aspekten – eine Chronik des Bauprojektes seit 1972 – ein Modell eines verkleinerten Baukörpers – neue Überlegungen zur Finanzierung – Überlegungen zur künftigen Nutzung – Raumprogramm „Pfarrheim“ für die ganze Gemeinde – eine Anfrage an den Sinn des Ganzen in Form eines „Phantastischen Märchens“ – Fragen und Einwände zum Projekt „Millrath-Ost“ – Ausblick auf das später zu realisierende Haus im Stadtzentrum – Spendenaufkommen bis 1.1.1981. Niemand ist denn auch zur Pfarrversammlung gekommen, um bereits gefasste Beschlüsse abzunicken. Das Gespräch zwischen den 160 Teilnehmern war wohl sehr lebendig. Es gab kritische Stimmen zur Höhe der aufzubringenden Summe, Überlegungen zu einer rationelleren Nutzung der schon vorhandenen Räume, Anfragen zum Aufbaukonzept der Gemeinde. Wie die Aspekte vom März 1981 erkennen lassen, war es eine offene und vertrauensvolle Beratung und der Artikel hält fest, dass am Ende eine überwältigende Mehrheit sich für das Projekt entschied. – Die veranschlagten Kosten konnten durch eine Verkleinerung des Hauses von 1,1 Millionen wieder auf 800.000 DM reduziert werden. Der bisherige Plan sah einen dreistöckigen Bau vor. Jetzt wurde das oberste Geschoss gestrichen. Das bedeutete, dass die Hausmeisterwohnung, ein zweites Treppenhaus und zwei Gruppenräume wegfielen. Dazu soll jemand gesagt haben: „Was brauchen wir einen Hausmeister. Das machen wir selber“. Eine fast prophetischen Voraussage, die sich bis auf den heutigen Tag als wahr erweist!  

 

Dass die Entscheidung nicht leichthin gefallen ist, ließ sich wiederum an der Entwicklung der Spenden feststellen. Der Anstieg war rasant und übertraf selbst optimistische Erwartungen. In St.Franziskus und in Heilig Geist wurde ein „Spendenthermometer“ aufgestellt, auf dem die Gottesdienstbesucher die Zunahme feststellen konnten. Dieses „Spendenthermometer“ erschien auch auf der Rückseite jeder Ausgabe der Aspekte. Und der Blick auf diese Säule wird manchen mit Stolz erfüllt haben, oder auch mit Freude und Dankbarkeit. Wurde doch da schwarz auf weiß sichtbar: wir schaffen es. – Zwischen Mai 1980 und Juni 1982 sind  fast 250.000 DM aufgebracht worden. Vermutlich waren auch Einzelne dabei, die eine größere Summe gespendet haben. Aber nicht als „Mäzene“, sondern als  Mitglieder der Gemeinde, denen die Zukunft dieser Gemeinde am Herzen lag. Sehr viele Andere konnten nur weniger aufbringen. Aber sie taten es aus der gleichen Gesinnung. Am 16.3.1982 waren 574.848 DM bezahlt – darin sind außer den Spenden die 200.000 DM von der Diözese und die angesparten Mittel im Haushalt der Pfarrei enthalten. Für den Rest, der noch benötigt wurde, hatte irgendeiner eine clevere Idee. Die erschien als Frage in den Aspekten: Wollen Sie nicht eine Bank eröffnen? Gemeint war damit, ob nicht einzelne Hochdahler der Kirchengemeinde ein Darlehen geben könnten, dass zu vergleichbaren Bedingungen verzinst und getilgt werden sollte wie bei einer Bank. Da in diesem Fall die Spareinlage nicht erst durch den Service der Bank zum Darlehen wurde, war das Geld für die Kirchengemeinde wesentlich billiger. 66.000 DM sind auf diesem Weg in die Finanzierung des Hauses geflossen. Und es ist zu vermuten, dass mancher Darlehensgeber irgendwann auf die Rückzahlung verzichtet hat.

 

Schon bei den frühen Überlegungen zur Finanzierung des Hauses kam aus dem Pfarrgemeinderat der Vorschlag, einen Teil der Kosten durch Eigenleistung am Bau aufzubringen. Die Fachleute sahen dafür aber wenig Möglichkeiten. Das sei wohl nur beim Ausschachten, beim Innenausbau und den Außenanlagen machbar und dafür könne man nur etwa 50.000 DM ansetzen. Unbekümmert um diese Bedenken erschien dann aber Ende Mai 1981 eine Gruppe von starken Männern, um mit Schaufel und Schubkarre mit dem Aushub der Baugrube zu beginnen. Und es wird erzählt, dass sie gar nicht besonders frustriert waren, als der Bagger nach einigen Tagen ihre ganzen Bemühungen zunichte machte. Sicher überliefert ist auch, dass die beiden Hilfswilligen, die (natürlich unter fachkundiger Aufsicht) die Elektroinstallation ausführten, schon sehr viele Löcher in die Wände gestemmt hatten. Da kam der leitende Architekt und sie mussten alles wieder zuschmieren und die Löcher an die richtige Stelle setzen. Diese Eigenleistung am Bau hat sich finanziell nicht über den geschätzten Betrag hinaus ausgewirkt. Sie zeigte aber, wie hoch die Identifizierung mit dem Bau war. Und die es gemacht oder gesehen haben, spürten noch intensiver: Das ist unser Haus.              

 

Es wurde also gebaut. Ende Mai 1981 wurde die Baugrube ausgehoben. Den Bagger bediente zunächst Peter Giesen aus dem Pfarrgemeinderat, und danach Gotthard Pollok aus dem Kirchenvorstand. Im Juni begannen die Rohbauarbeiten. In den Aspekten von September 1981 ist ein Foto, auf dem das Untergeschoß fertig gemauert ist und die Verschalung für die erste Decke angebracht wird. Das war die Situation Ende Juli. Im Dezember-Heft ist das fertige Haus abgebildet. Nach dem vielen Hin und Her seit 1972 und der intensiven Phase der Entscheidungsfindung war die Ausführung schnell und reibungslos. Der Innenausbau zog sich dann noch bis ins nächste Jahr hin. Insofern war innen drin noch alles „Rohbau“ als die Gemeinde am 21. November 1981 – gewissermaßen wie bei einem zünftigen Richtfest – das Haus „in Besitz nahm“. Die Beteiligung war groß, die Freude über das gelungene Werk spürbar. Und die unverputzten Wände, die provisorisch an der Decke befestigten Strippen und die fehlende Inneneinrichtung gehörten zum „Ambiente“, das dieses Fest in der Erinnerung so unverwechselbar macht. Vom 4. bis 6.Juni 1982 wurde das Haus mit einer schlichten Einweihungszeremonie und einem heiteren Fest seiner Bestimmung übergeben.

 

Vorher hatte der Pfarrgemeinderat und immer wieder auch andere Gemeindemitglieder sich Gedanken gemacht, wie denn das Haus heißen sollte. In der entsprechenden Sitzung des Pfarrgemeinderats muss es ziemlich lustig zugegangen sein, wie Joseph Boscheinen in den Aspekten vom Juni 1982 berichtet. Es gab viele nicht ganz ernst gemeinte Vorschläge, die trotzdem etwas von dem trafen, was das Haus für die Gemeinde sein sollte. „Gute-Hoffnungs-Hütte“, „Synodenschuppen“, „Konzilshütte“. Die Erneuerung des Konzils hatte vielen in der Gemeinde die Augen dafür geöffnet, welche Würde sie als Volk Gottes hatten. Und diese Erkenntnis hatte sich im Bewusstsein so festgesetzt, dass man sie in ungewohnten, witzigen Bildern ausdrücken konnte. Deshalb erscheint es als natürliche Folge, dass man dem Haus den Namen „Roncalli-Haus“ gab. Wer nicht so ganz Bescheid wusste, fragte hinterher manchmal, was denn das Haus mit dem Zirkus Roncalli (der zu der Zeit in Düsseldorf und Umgebung gastierte) zu tun hätte. Wir haben ihn dann wohl aufgeklärt, dass „Roncalli“ der Familienname von Papst Johannes XXIII. sei und was die Kirche und wir in Hochdahl diesem großen Mann verdankten. Und so haben wir denn im Roncalli-Haus, im Treppenabgang ins Untergeschoss, ein großes Poster dieses gütigen und glaubensstarken Mannes angebracht. Bis heute ist es ein Bekenntnis und ein Zeichen der Hoffnung, welchem Geist dieses Haus dienen soll.

 

Das Obergeschoss war aus dem Plan gestrichen worden, um die Baukosten tragbar zu machen. Wer würde sich denn jetzt um das Haus kümmern, wenn es keinen Hausmeister gab? Man musste ja damit rechnen, dass interessierte Mitmenschen bald feststellen würden, dass das Haus manchmal mehrere Tage und vor allem nachts unbeaufsichtigt war. Ein einziges Mal ist dann wirklich nachts eingebrochen worden. Die unfreundlichen Zeitgenossen waren gerade dabei, die  nicht einmal besonders wertvolle Musikanlage wegzutragen, als die Polizei erschien. Wir haben nie erfahren, welcher freundliche Nachbar ein wachsames Auge auf unser Haus gehabt hatte. – Aber „sich kümmern“ bedeutet ja mehr. Dafür entwickelte sich eine neue Möglichkeit. Wie das geschehen ist, ist nicht klar: Das Haus bekam ein Leitungsteam, Barbara Wiese, Elisabeth Hellmich und Joseph Boscheinen. Sie haben eigenverantwortlich und mit großem Einsatz dafür gesorgt, dass das Haus zu einem Mittelpunkt und Sammelpunkt für das Leben der Gemeinde wurde. Und für alle Aufgaben fühlten sie sich zuständig – sie besorgten Reinigungsmittel für die Putzfrau, ersetzten erloschene Glühbirnen, vermieteten die Räume an Familien und Vereine, verwalteten Schlüssel und Gerätschaften, waren Ansprechpartner und Hilfe bei der Vorbereitung von Festen, waren immer wieder im Haus zu sehen und zu erleben. Und tatkräftig halfen sie, Gruppen der Gemeinde zusammenzuhalten, ob Jugendliche oder Senioren. Dieses Leitungsmodell war so erfolgreich, dass es nach einiger Zeit auch für die Gemeindehäuser in Sandheide und Trills übernommen wurde. Bis heute gibt es im Prinzip für das Roncalli-Haus die gleiche Form der Leitung, auch wenn die verschiedenen Aufgaben auf mehrere Personen verteilt sind, damit die Belastung für den Einzelnen nicht so hoch ist.

 

Aber der Hausmeister muss doch abends dafür sorgen, dass alle Lichter gelöscht, die Fenster geschlossen und die Türen versperrt sind. Wenn die letzte Gruppe um 22 Uhr das Haus verlässt, kann es doch sonst vorkommen, dass eine Tür die ganze Nacht offen bleibt. Aber: ohne Hausmeister geht es auch! Von Anfang an, also inzwischen seit fast 40 Jahren, gibt es einen so genannten Schließdienst. Abend für Abend erscheint ein Mensch (oder im Winter wegen der Dunkelheit auch zwei) aus der näheren oder weiteren Umgebung, um das Haus „nachtfest“ zu machen. Wer für diese Aufgabe gerade auf dem Plan steht, kommt und kontrolliert, ob alle Fenster geschlossen sind, nirgendwo Wasser läuft und ob der Herd abgestellt ist und verlässt das Haus wieder, indem er die Außentür sorgfältig abschließt. Dieser Dienst wechselt wöchentlich, die Zahl der Leute, die mitmachen, ist also beträchtlich. Und das funktioniert immer noch. Im Laufe der Zeit sind natürlich Einzelne ausgeschieden und Neue hinzugekommen. Manchmal waren es Leute, die sonst von außen gesehen keinen intensiveren Kontakt zur Gemeinde hatten. Einmal im Jahr werden die Teilnehmer am Schließdienst zu einem Treffen eingeladen. Und wenn ich es recht sehe, ist das keine Belohnung für „Ehrenamtliche Mitarbeit“ (das „Ehren-Amt“ gibt es bekanntlich nicht), sondern ein gemütliches Zusammensein einer speziellen Gruppe der „Freunde des Roncalli-Hauses“.

 

Und wieder musste die Diözese sparen. Es war 2005 bis 2007. Die Maßnahmen liefen unter dem anspruchsvollen Titel „Zukunft heute“. Wie viele andere Gemeinden traf es uns mit der Forderung, die Flächen in den Gemeindehäusern zu reduzieren. Und sehr vernünftige Leute meinten, am einfachsten sei es, das Roncalli-Haus zu verkaufen. Die Überlegung war nicht unsinnig, denn das Gebäude stand allein und war nicht einer Kirche zugeordnet wie in Trills oder Sandheide. Aber „unser Haus“ verkaufen? Eine Dame, die sich bei den Spenden deutlich beteiligt hatte, regte sich auf und sagte, dass ein Verkauf ja nun überhaupt nicht Frage käme. Und wenn das doch geschehen würde, würde sie ihr Geld zurückverlangen. Als diese Episode erzählt wurde, begriff ich allmählich, was wirklich auf dem Spiel stand. Es wäre nicht nur menschlich unanständig gewesen, das Haus zu veräußern, das durch die Spenden und die Arbeitskraft von Gemeindemitgliedern errichtet worden war. Es wäre ein großes Unrecht gewesen. Denn die Beteiligten hatten an dem Haus gewissermaßen Teileigentum erworben. Das wäre natürlich nicht einklagbar gewesen, aber es war eine prägende Realität. – Nach einer intensiven Information und gemeinsamen Klärung waren 250 Hochdahler bereit, für den Unterhalt des Roncalli-Hauses (wieder) Geld zu geben. Diese Selbstverpflichtung war auf fünf Jahre begrenzt und ist inzwischen von Vielen verlängert worden. Zwischenzeitlich brauchten sie sogar zwei Jahre lang nur die Hälfte zu zahlen, weil das Haus auch mit einer kleineren Summe unterhalten werden konnte. Ein Verein wurde für die Trägerschaft gegründet. Der kümmert sich jetzt um das Roncalli-Haus.

 

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