23. Gottesdienst 2

Für die katholische Gemeinde in der neuen Stadt Hochdahl war Fronleichnam einer der Höhepunkte im Kirchenjahr. Ich bin Ende April 1970 nach Hochdahl gekommen und ich erinnere mich, dass ich noch eine ganz „normale“ Form der Feier des Fronleichnamsfestes erlebt habe mit feierlichem Gottesdienst in der Trillser Kirche, mit Prozession und mindestens zwei Altären unterwegs, mit geschmückten Wegen und Häusern. (Es gab sogar noch eine „Bittprozession“ vor Christi Himmelfahrt, die ich zusammen mit Pfarrer Hans Meixner begleitete.)

Diese traditionelle Art, Fronleichnam zu feiern, haben wir nicht mehr lange praktiziert. Schon 1973 trat an die Stelle der Prozession die gemeinsame Feier der Eucharistie auf dem Schulhof der neuen Hauptschule an der Sedentaler Straße. Und so wird seitdem in Hochdahl Fronleichnam gefeiert. Um 10 Uhr ist der Gottesdienst für die ganze Stadt. – Es war eine bewusste Entscheidung, die wir wahrscheinlich schon früher getroffen haben, an diesem Tag keine Prozession mehr zu machen. Und es war eine eminent theologische Entscheidung! Im Gefolge des Konzils hätten eigentlich alle begreifen können, dass der primäre Vollzug der Eucharistie die Feier der Heiligen Messe ist. Dadurch traten die im Laufe der Geschichte wichtig gewordenen Formen der Anbetungsfrömmigkeit in den Hintergrund, nämlich Andacht vor dem ausgesetzten Allerheiligsten, sakramentaler Segen, und eben auch die Prozession mit dem Allerheiligsten. Dabei mag man den Sinn dieser Prozession durchaus positiv sehen: durch die Eucharistie soll der ganzen Stadt oder dem ganzen Dorf die Nähe Jesu Christi erfahrbar gemacht und sein Segen allen Bewohnern zugesprochen werden. Und das Schmücken der Wege und Häuser war dann die gläubige Antwort auf diese Zuwendung Gottes. – Wenn wir auf die Prozession verzichtet und stattdessen eine gemeinsame Eucharistiefeier auf dem Schulhof eingeführt haben, dann war das eine gute Übersetzung der alten Absicht in eine neue Form. Der Ort für die Feier war ziemlich zentral in der neuen Stadt Hochdahl und es machte wenig Mühe, ganz Hochdahl – Katholiken und Protestanten und die übrigen Bürger  – an dieser Stelle gegenwärtig zu spüren. Und immer wieder wurde davon gesprochen,  wie schön es war, wenn die Leute von allen Seiten, aus allen Wohnungen zu diesem Zentrum hin pilgerten. (Natürlich kamen auch viele mit dem Auto, was vielleicht für das Moderne an diesem Bild steht). Und der Schulhof ermöglichte ein Gefühl von Gemeinschaft und stützte das gemeinsame Beten und Singen. Und als in späteren Jahren Bäume und Sträucher dichter und höher wurden, wirkten sie wie eine bergende Kulisse, die aber die luftige Offenheit nicht einschränkte. Ganz zu Anfang haben wir nach Abschluss der Messe noch den sakramentalen Segen gegeben. Aber das schien uns bald eine inkonsequente Verdoppelung zu sein. Wer die Eucharistie mitvollzieht,  empfängt dabei schon allen Segen, der möglich ist. – Und es gab noch einen praktischen Vorteil auf dem Schulhof: wenn es Regen gab, wichen wir in die Aula der Schule aus. Das haben wir in vielen Jahren tun müssen.

Aus der Perspektive der späten Jahre ist es eigenartig, dass rundherum alle Pfarreien die alte Fronleichnamsprozession beibehalten haben. Spielt es keine Rolle, dass sich die Voraussetzungen für dieses Tun radikal verändert haben? Das Dorf, das die Nähe und den Segen Jesu Christi erfahren möchte und in Dankbarkeit oder Vorfreude Häuser und Wege schmückt, gibt es in vielen Gegenden nicht mehr. Und die Stadt beherbergt in der Mehrheit praktische Atheisten. Und was erleben die, wenn sie am Straßenrand stehen und die Prozession an ihnen vorbeizieht? Sollen sie durch das, was sie sehen, zum Glauben finden? Geht es den Teilnehmern um ihre Gemeinschaft mit Jesus Christus und ist das für die Zuschauer in irgendeiner Weise zu erkennen? Denn wenn Fronleichnamsprozessionen zu einem Touristentreffen verkommen, bei dem die Menschen am Rande nicht mehr innehalten und beten, sondern nur noch fotografieren, dann setzen wir Jesus Christus von neuem einer Menge aus, die sein Sterben nicht ernst nimmt. Und können wir wirklich sicher sein, dass das zugehörige feierliche Hochamt (auf einem öffentlichen Platz der Stadt) nicht von vielen Christen als Demonstration verstanden wird, dass wir in der Gesellschaft noch wichtig sind? – All die Jahre war Fronleichnam in Hochdahl ein wichtiges Fest. Noch heute meine ich etwas von der Atmosphäre zu spüren. Und manchmal erweckt ein solcher Tag den Geist und verhilft zu etwas tiefer gehenden Gedanken zu Vergangenheit und Zukunft. Vielleicht hat die eine oder andere „Grundsatzpredigt“ an diesem Tag anregend wirken können.

 

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