6. Team

Wenn alte Leute früher erzählten, wie das Leben in einer Pfarrei vor dem 2.Weltkrieg aussah, dann konnte man vor allem über die Zahl der dort tätigen Priester staunen. Je nach Größe der Pfarrei waren drei oder gar vier Kapläne an der Tagesordnung. Und die Arbeitsbereiche und Zuständigkeiten waren klar verteilt. Wenn es Fragen oder Schwierigkeiten gab, stand der Pfarrer seinen Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite. Andererseits war er aber auch

derjenige, der klar die Richtung vorgab. Was dabei mehr Bedeutung hatte, war vermutlich von Eigenart und Temperament des Herrn Pfarrers abhängig. Jedenfalls bildete sich die für die Kirche vorausgesetzte hierarchische Ordnung (in der es vom Papst abwärts geht bis zum letzten Gläubigen) auch im Bild der Seelsorger vor Ort ab. In ländlichen Gemeinden war die Situation normalerweise anders. Dort gab es für die geringe Zahl der Gläubigen nur einen Seelsorger, der – in noch älteren Zeiten – zusammen mit dem Lehrer und Apotheker die Schicht der Honoratioren repräsentierte. Nach dem Krieg wurde das bald anders. Nicht nur die Zahl der Priester nahm schnell ab, auch die Vorstellungen von Pfarrei und Seelsorge veränderten sich.

 

Wer daher zwischen 1950 und 1960 mit dem Theologiestudium begann, um Priester zu werden, musste sich viele Gedanken machen, wie er sich seine spätere berufliche Tätigkeit vorstellte.

Wie intensiv dieser Klärungsprozess war, hing sicher von der persönlichen Eigenart und auch von der jeweiligen studentischen Gemeinschaft ab. In der Theologengemeinschaft des Bundes Neudeutschland wurde das Thema heftig und ausdauernd diskutiert. Dem langjährigen geistlichen Leiter der Theologengemeinschaft, dem Kirchenhistoriker Professor Erwin Iserloh, war dieses Gespräch ein Herzensanliegen. Wie kann man Lebensformen finden, die der Gefahr der Vereinsamung und der Mentalität des „Einzelkämpfers“ wehren? Kann es eine attraktive Form von „Priestergemeinschaft“ geben?

 

Dabei genügt es natürlich nicht zu klären, wie Priester miteinander leben können. Es geht auch darum, ob sich für die Seelsorge und die Gemeinde etwas verändert. Ist es von Vorteil, wenn in einer Pfarrei eine Gruppe die Arbeit aufnimmt, die schon in der Vergangenheit gewisse Formen gemeinschaftlichen Lebens ausprobiert und praktiziert hat und die dann auch für längere Zeit gemeinsam an Ort und Stelle bleibt? Wird durch Teamarbeit vielleicht eine größere Kontinuität möglich oder besteht eher die Gefahr, dass nach kurzer Zeit Routine und Gewohnheit jeden Aufbruch blockieren? Beides dürfte möglich sein und deshalb sollte irgendwann eine regelrechte Erfolgskontrolle stattfinden. Diese Aufgabe hätten sowohl die Teammitglieder als auch die Personalabteilung der Diözese. Die Idee mit der Teamarbeit war übrigens gar nicht so neu, denn manche Orden haben schon früher einzelne Pfarreien übernommen und dann haben mehrere Ordensmitglieder die Arbeit gemeinsam getan.

 

Die Frage nach dem Einsatz eines Teams für die Seelsorge stellte sich für die Hochdahler Gemeinde im Jahre 1969. Das Kölner Generalvikariat – damals wohl mehr als heute mit dem Finger am Puls der Zeit – trat mit der Frage an Hans Meixner heran, ob er sich eine Leitung der Hochdahler Gemeinde durch ein Team von Priestern vorstellen könne. Eine Gruppe aus Wuppertal hatte ihr Interesse an einer solchen Tätigkeit in Hochdahl geäußert. Nun war auch Gerd Verhoeven seit dem Studium in Bonn und den Gesprächen um die „Priestergemeinschaft“ mit einigen anderen jungen Kaplänen in Kontakt. Die Gruppe traf sich regelmäßig und hatte sich eine Arbeit als Team in der Seelsorge schon immer gewünscht. Pfarrer Hans Meixner war bereit, mit dieser Gruppe zusammen die Seelsorge in Hochdahl weiterzuführen. Diese Lösung wurde dem Angebot der Wuppertaler Priester vorgezogen, da so die beiden Seelsorger, die schon in Hochdahl waren, bleiben konnten. Den Ausschlag gab wohl die Bereitschaft von Hans Meixner, bei dem geplanten Team mitzumachen. Im April 1970 kam Bernd Staßen dann als zweiter Kaplan nach Hochdahl. Der dritte aus dieser Gruppe junger Kapläne sollte später folgen, doch dazu kam es dann nicht mehr.

 

Wie sollte diese Teamarbeit konkret aussehen? Dass Arbeitsaufteilung und entsprechende Zuständigkeiten geklärt werden mussten, lag auf der Hand. Aber sollte die Gruppe auch irgendeine Form gemeinschaftlichen Lebens praktizieren, vielleicht sogar mit gemeinsamen Gebetszeiten und einem abgestimmten Tagesablauf? Sollte sie gemeinsam in einem Haus wohnen? Sollte also Teamarbeit auch eine Form von „Vita communis“ einschließen – eine Form gemeinsamen Lebens? Diese Fragen wurden schon 1969 entschieden. Ob dabei das Bedürfnis nach Unabhängigkeit des Einzelnen wichtig wurde oder der Blick auf das Leben der Gemeinde die Entscheidung bestimmte, ist heute nicht mehr festzustellen. Aber die Lösung lautete: dezentral wohnen, mitten unter den Menschen.  Hans Meixner blieb im Pfarrhaus in Trills, Gerd Verhoeven sollte nach Sandheide ziehen, wo seit Ende 1969 das neue Gemeindezentrum gebaut wurde. Und Bernd Staßen ging nach Willbeck, wo die Kirchengemeinde eine Eigentumswohnung gekauft hatte.

 

Zu diesem Zeitpunkt blieb die Frage offen, ob dieses Team auch gemeinsam für die Leitung der Gemeinde zuständig sein sollte – mit gleichem Recht und gemeinsamer Verantwortung. Wahrscheinlich wurde diese Möglichkeit gar nicht diskutiert, da Hans Meixner selbstverständlich Pfarrer der Gemeinde blieb. Erst im September 1972 wurde eine solche Regelung mit Generalvikar Nettekoven besprochen und entschieden. (siehe: Team 2)

 

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